Irak – Halbherzige Selbsterkenntnis

Mit Zuversicht versucht Condoleezza Rice den Scherbenhaufen der US-Politik im Irak zu bemänteln. Bis zum August werde eine neue Verfassung ausgearbeitet, meinte die Außenministerin und weiter, die politischen Fortschritte im Irak seien beachtlich.
Ein geradezu klassischer Selbstbetrug, mit der Condoleezza Rice versucht, die katastrophale Lage im Irak schön zu reden. Natürlich kennt sie die Probleme genau. Denn sie fordert von den Irakern Geduld bei deren Lösung. Doch genau diese Geduld schwindet in dem von Terror und Gewalt gebeutelten Land immer mehr. Die Hoffnungen auf eine friedliche Entwicklung haben sich als verfrüht und wohl noch schlimmer als Selbstbetrug erwiesen.

Mit Zuversicht versucht Condoleezza Rice den Scherbenhaufen der US-Politik im Irak zu bemänteln. Bis zum August werde eine neue Verfassung ausgearbeitet, meinte die Außenministerin und weiter, die politischen Fortschritte im Irak seien beachtlich. Ein geradezu klassischer Selbstbetrug, mit der Condoleezza Rice versucht, die katastrophale Lage im Irak schön zu reden. Natürlich kennt sie die Probleme genau. Denn sie fordert von den Irakern Geduld bei deren Lösung. Doch genau diese Geduld schwindet in dem von Terror und Gewalt gebeutelten Land immer mehr. Die Hoffnungen auf eine friedliche Entwicklung haben sich als verfrüht und wohl noch schlimmer als Selbstbetrug erwiesen.

Und auch das räumt Condoleezza Rice ein. Allein mit militärischen Mitteln könne der Aufstand nicht bezwungen werden. Es müsse eine politische Lösung für die Krise gefunden werden, meint sie vor Ort.

Aber wenn es drauf ankommt, setzen die USA im Irak eben doch in erster Linie auf ihre militärische Kraft. Das ist eine halbherzige Politik. Diese zögerliche Haltung hat die USA von Beginn an um große Erfolge gebracht.

Bis heute durchzieht die Irak-Politik eine Spur des Scheitern. Es begann in der Stunde des Triumphes. Statt in Bagdad für Ruhe und Ordnung zu sorgen, ruhten sich die Elitedivisionen auf ihren Lorbeeren aus, und ließen Plünderern und Kriminellen freien Lauf. Und dann wollte das Pentagon auch noch mit einer Hand voll eingeflogener Exilpolitiker einen politischen Neuanfang initiieren – ein Versuch, der jämmerlich scheitern musste.

Im Detail werden Fehler meist später erkannt. Aber die Konsequenzen sind nur halbherzig. Geklotzt wird nur, wenn es um militärische Ausgaben geht. 200 Milliarden Dollar kostet der Irak-Krieg mittlerweile und ein Ende der Ausgaben ist noch nicht abzusehen. Rechnet doch US-Generalstabschef Richard Myers damit, dass der Aufstand noch Jahre dauern wird. Wenn dieser Aufstand erst zehn Wochen nach der Eroberung Iraks begann, wird bereits daran deutlich, dass er auch auf gewaltige Fehler der Besatzungsmacht zurückzuführen ist.

Natürlich wollen die Menschen im Irak an erster Stelle Sicherheit. Aber die schafft man nicht dadurch, dass eigentlich für Aufbaumaßnahmen vorgesehene Gelder zum Aufbau für Sicherheitsapparate genutzt werden, wie es der ehemalige US-Botschafter Negroponte im Sommer vergangenen Jahres anordnete. Und das Ziel, ein partnerschaftliches Verhältnis zu den Irakern zu schaffen, wird auch nicht dadurch erreicht, indem man in Bagdad eine US-Botschaft für eine Milliarden Euro baut.

Damit wird Misstrauen nicht abgetragen, sondern nur geschürt.

Harte Strafen für Folterer in Gefängnissen und die schonungslose Nennung aller Verantwortlicher würde mehr Vertrauen schaffen als der Einsatz von Milliarden Dollars.

Die Menschen im Irak und auch in Afghanistan fühlen sich bevormundet und kulturell unterdrückt. Wie sonst ist zu erklären, dass die Meldung, in den Toiletten des US-Gefängnisses Guantánamo sei der Koran ausgelegt worden, Unruhen auslöst.

Wie im Irak ist auch in Afghanistan die Armut ungebrochen. Von den für Hilfsprojekte versprochenen Milliarden spüren die Menschen kaum etwas. Stattdessen begegnen sie ausländischen Soldaten und hoch bezahlten ausländische Helfern. In Afghanistan werden unter den Augen von fremden Soldaten historisch beispiellose Opiummengen erzeugt.

Deutlicher kann es nicht werden, wie notwendig es ist, den Zirkel von militärischer Potenz und entwicklungspolitischem Versagen zu durchbrechen. Sonst wird die gesamte Region schweren Schaden nehmen.

Denn es ist ja nicht so, dass man dort die US-Politik grundsätzlich ablehnt. Der Aufruf von US-Präsident Bush, demokratische Strukturen zu schaffen, bringt dramatische und positive Veränderungen. Aber was nützen Erfolge von Demonstranten im Libanon und eine beginnende Freiheit bei Wahlen in Ägypten, wenn die Kriege in Afghanistan und Irak im Chaos und nicht im erfolgreichen Aufbau neuer Gesellschaften enden.

Der Westen muss lernen, die Kritik nicht nur bei politischen Gegnern zu üben, sondern Kritik muss auch genutzt werden, Fehler in den eigenen Reihen aufzudecken und diese Fehler abzustellen. Damit schafft man Vertrauen und stärkt die Kräfte in Bagdad und Kabul, die den schweren und steinigen Weg der Demokratie gehen wollen. Mit der Verteilung militärischer Hilfe wird nur allzu oft das Gegenteil erreicht.

Kommentar von Ulrich Tilgner
DEUTSCHLANDFUNK
15. 5. 2005