Ahmadinejad sucht Kompromiss

Iran Staatspräsident Mahmoud Ahmadinejad wird heute Abend eine internationale Zusammenarbeit im Bereich der atomaren Produktion anbieten. Er will demonstrieren, dass die Islamische Republik keinen Alleingang bei der Entwicklung der Atomtechnologie anstrebt. Aus iranischer Sicht ist das ein ernstgemeinster Kompromissvorschlag. Möglicherweise wird der vor zwei Monaten gewählte Präsident sogar den Verzicht seines Landes auf die atomare Wiederaufbereitung erklären.

Das ist eine gute Nachricht, einen Alleingang wie Nordkorea strebt die Islamische Republik nicht an. Und noch etwas Positives: die Tür zu den Verhandlungen wird nicht zugeschlagen.

Aber Ahmadinejad verspielt gleichzeitig eine Chance. Ihm fehlt die Kraft zu einer großen Geste der Versöhnung mit den Europäern und vor allem mit den USA. Denn eine zentrale Forderung dieser westlichen Staaten will Iran nicht erfüllen. Die Umwandlung von festem Uran in Urangas soll fortgesetzt werden – also eine Vorform der Anreicherung. Damit zeichnet sich keine Lösung im Atomkonflikt ab.

Aber Iran versucht eine Eskalation der Auseinandersetzung durch eine Internationalisierung des Konfliktes zu verhindern.

Auf kurze Sicht dürfte diese Taktik auch aufgehen. Der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde wird sich bei seiner Tagung in der kommenden Woche wohl kaum auf eine Einschaltung des Weltsicherheitsrates verständigen. Viele der Mitgliedsstaaten, vor allem die aus Afrika und Asien befürchten, Iran sei ein Präzedenzfall, um weltweit in der Atomfrage eine Zweiklassengesellschaft zu schaffen: Auf der einen Seite Staaten mit einer entwickelten Atomtechnologie und auf der anderen die atomaren Habenichtse. Doch die Eskalation des Konfliktes wäre damit nur aufgeschoben und nicht aufgehoben. Die Beteiligung russischer, indischer oder auch südafrikanischer Firmen kann das westliche Misstrauen gegenüber Iran nicht beseitigen. Die Kompromissvorschläge sind naiv. Denn den EU-Staaten und den USA geht es ja gerade darum, Irans Atomprogramm zu stoppen und nicht darum, es zu kontrollieren. Denn das könnten ja auch die Inspektoren der Atomenergiebehörde. Wie Kontrolleure könnten auch ausländische Partner eines iranischen Atomprogramms in Zeiten des Konfliktes aus dem Lande verwiesen werden, dürfte die Begründung lauten, mit der argwöhnische Beobachter der Islamischen Republik die Vorschläge Ahmadinejads ablehnen.

So besteht das gegenseitige Misstrauen weiter. Da hilft es wenig, wenn auch die USA Iran seit dieser Woche das Recht auf zivile Nutzung der Atomtechnologie zubilligen. Denn im Iran heißt es, was nützt das Recht, wenn man es nicht ausüben darf. Doch die Zeitungen in Teheran haben über diese Änderung der Haltung der USA in großer Aufmachung berichtet. Und in Kommentaren schimmerte sogar die Hoffnung durch, dieser Sinneswandel der Regierung in Washington eröffne neue Perspektiven für eine diplomatische Lösung des Konfliktes. Tatsächlich bestehen die Chancen für einen Kompromiss weiter. Denn auch in Teheran sind die scharfen Töne aus den Tagen des Präsidentschaftswahlkampfes nicht mehr zu hören.

Diese atmosphärischen Verbesserungen gilt es zu nutzen, selbst wenn die Verhandlungen zwischen der EU und Iran keinen Aussichten auf Erfolg mehr haben. Am Horizont zeichnet sich die Möglichkeit einer Widerannäherung zwischen den USA und Iran ab. Doch die Aussichten einer Aussöhnung der Erzfeinde sind gering. Aber die konservative Führung in Teheran weiß genau, dass eine Lösung des Atomkonflikts ohne eine Verständigung mit den USA unmöglich ist.

Kommentar im Deutschlandfunk von Ulrich Tilgner
DLF Sendung vom 16. September 2005