Pulverfass Mittlerer Osten – Iran als Schlüsselfaktor

Vollgepackter kann ein Thema mit Fragestellungen kaum noch sein. Zuerst einmal möchte ich mich bei den Veranstaltern bedanken, mit dem Begriff «Mittlerer Osten» den geografischen Raum abgesteckt zu haben, der – in meinen Augen – der einzig angemessene ist, um eine Art Gesamtschau möglich zu machen, auch wenn er sich in den Ländern Mitteleuropas noch nicht eingebürgert hat.Auf diese Gesamtschau werde ich einen grossen Teil meiner Zeit verwenden, denn ich bin kein Anhänger der These, dass der Konflikt zwischen Israeli und Palästinensern den Kernkonflikt der gesamten Region bildet. Zwar stand er in gewissen Phasen der jüngeren Geschichte im Vordergrund, doch die Konfliktlinien im Orient sind fluktuierend, und spätestens seit der islamischen Revolution und dem iranisch-irakischen Krieg – also seit dem Ende der siebziger Jahre — ist der klassische Nahost-Konflikt in den Hintergrund getreten. Immer mehr Beobachter sehen heute in der Golfregion den eigentlichen Krisenherd des Mittleren Ostens.

Deshalb lässt sich der Begriff Pulverfass auch variieren durch ein anderes Bild als Sprengstoff in einem Behälter. Ich denke eher an Lunten an Ölfässern oder besser an Ölfeldern. Aber nach meiner Auffassung wird nicht Krieg um Öl geführt. Sicherlich ist die Bereitschaft, Krieg zu führen, in der Region so gross, weil der Mittlere Osten über zwei Drittel der Weltölreserven verfügt.

Die USA und China, die selbst nur 2,1 bzw. 1,1 Prozent der Weltölreserven besitzen, konsumieren zusammen das Zehnfache – also 32 Prozent des Weltbedarfs. Ihr Anteil am Weltbedarf wird wachsen und damit auch ihr Interesse an den Entwicklungen in der Region. Dennoch glaube ich nicht, dass mit der Formel «Krieg um Öl» das militärische Vorgehen der USA erklärt werden kann. Öl bildet nur einen Faktor eines Motivations-bündels, das zum Beispiel auch zunehmend durch geopolitische Rivalitäten beeinflusst wird.

Doch hätte die Region nicht diese gewaltigen Ölreserven, so würden dort nicht so viele Kriege geführt und würden Kriege nicht derart grosse globale Implikationen mit sich bringen.


(Auszug)

NZZ Podium vom 7. Oktober 2010

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